Zur Geschichte der Mennoniten

Wer sich in der christlichen Welt nicht so besonders auskennt, hält die Mennoniten schnell für eine Sekte. Schließlich erinnert der Name irgendwie an die Mormonen und man kann sich auch sonst nichts so richtig unter dieser Bezeichnung vorstellen. Damit sich der Nebel lichtet, gibt´s hier eine Kurzbeschreibung oder hier eine kleine Reise in die Vergangenheit.

Kurzbeschreibung:
Die Mennoniten gehören zu der so genannten Täuferbewegung, die auch „dritter Flügel der Reformation“ genannt wird. Es handelt sich dabei um eine Absonderung von der Schweizer Reformation um Ulrich Zwingli in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie wollten die totale Unabhängigkeit der christlichen Gemeinde vom Staat und lehnten unter anderem die Kindertaufe als unbiblisch ab. Es sollten nur Gläubige auf ihr eigenes Bekenntnis hin getauft werden (daher auch der Name der Bewegung). In den Niederlanden ist der Priester Menno Simons 1536 zu dieser Bewegung hinzugestoßen und unter ihm verbreitete sie sich im gesamten norddeutschen Raum trotz Verfolgung. Nach ihm benennen sich die Mennoniten.
Zu der über vierhundertjährigen Geschichte der Mennoniten gehören viele Abspaltungen und Migrationsbewegungen, so dass heute eine Vielzahl von unterschiedlichen mennonitischen Gemeinden in der Welt existieren. Sie organisieren sich zum Großteil in freiwilligen Verbänden. Die Dresdner Gemeinde gehört zum Arbeitskreis mennonitischer Brüdergemeinden (AMBD). Wie es zu der Gründung der Dresdner Gemeinde kam, lässt sich hier nachlesen.

Eine kleine Reise in die Vergangenheit

Wir schreiben das Jahr 1525. Von Wittenberg aus hat ein Doktor der Theologie mit Namen Martin Luther schon seit einigen Jahren die von Rom ausgehende kirchliche Lehre durcheinander gewirbelt, indem er sich auf die Bibel als einzige Autorität für den christlichen Glauben beruft. Die Geschichte schreibenden Umwälzungen der Reformation sind in vollem Gange. Auch in Zürich löst man sich langsam von der Vorherrschaft der katholischen Kirche, allerdings durch einen anderen Reformator: Ulrich Zwingli. Die Zeit ist reif für die Durchsetzung der Reformen: Keine Bilder- und Heiligenverehrung mehr, Abschaffung der Messe, Einführung der Priesterehe usw. Zwingli selbst jedoch will diese Reformen in übereinstimmung mit der Obrigkeit durchsetzen und so das Prinzip Staatskirche nicht aufgeben. Diese abwartende Haltung können ein paar seiner jungen Anhänger nicht verstehen, weshalb es schon zwei Jahre zuvor zu einer kontroversen Disputation kam. Seine Schüler Felix Mantz, Georg Blaurock (der tatsächlich wegen seiner Kleidung so genannt wurde) und Jacob Grebel wollen mehr: Sie fordern die Unabhängigkeit der Gemeinde vom Staat und verwerfen alle kirchlichen Lehren, die nicht mit dem Neuen Testament begründbar sind. Dazu gehört in ihren Augen auch die Kindertaufe, weswegen die hier entstehende Bewegung auch Täuferbewegung genannt wird. Stattdessen sollen nämlich nur Menschen getauft werden, die aufgrund ihres Bekenntnisses von Buße und Bekehrung diese selbst wollen. Nun, Zwingli kann diesen Forderungen nicht zustimmen und so wird die täuferische Lehre am 21.01.1525 per Ratsbeschluss abgeschmettert. Da wir uns am Ende des Mittelalters befinden heißt das, Mantz und Co. können ihre überzeugung nicht mehr verteidigen, ohne Angst um ihr Leben haben zu müssen. Noch am selben Abend setzen sie sich zusammen und kommen zu dem Schluss, dass sie sich dem Ratsbeschluss nicht beugen würden. Schließlich sind sie überzeugt, dass sie damit gegen Gottes Willen verstoßen würden. Stattdessen bittet Blaurock Grebel ihn zu taufen und tauft daraufhin auch die anderen. Wir erleben die Geburtsstunde der ersten freikirchlichen Gemeinde.

Trotz Verbot und Verfolgung (alle Führer der Täufer kommen bis 1529 um, teilweise durch brutale Hinrichtung; der erste Märtyrer ist Felix Mantz) breitet sich die Bewegung sehr schnell im ganzen süddeutschen Raum aus und es werden Tausende getauft. Wie stark sie verfolgt und bedrängt werden, hängt auch immer von der jeweiligen Obrigkeit ab. In Strassburg z.B. können sie sich zeitweilig sicher fühlen. Dort stößt der etwas eigenwillige Lutheraner Melchior Hofmann zu den Täufern und lässt sich sogleich von ihnen überzeugen. Er bringt die neue Lehre über Emden in die Niederlanden, wo sie sich auch gleich schnell verbreitet. Leider kommen wir nun zu dem dunkelsten Kapitel der Täufer: Melchior ist wie gesagt etwas eigenwillig. Dies äußert sich vor allem darin, dass er die täuferische Lehre mit ziemlich konkreten Endzeitvorstellungen verbindet. Er selbst denkt dabei zwar friedlich, aber einer seiner Täuflinge, Jan Matthys aus Harleem, sieht sich berechtigt, das Tausendjährige Reich mit Gewalt herbeizuführen und leitet damit die so genannte „Katastrophe von Münster“ ein, in der er schon nach kurzer Zeit im Kampf gegen das bischöfliche Heer zum Opfer fällt. Leider ist der Spuk damit nicht vorbei. Ein gewisser Jan von der Leien reißt im Sommer 1534 die Herrschaft von Münster an sich und versteht sich fortan als König des Neuen Jerusalems. Alle Nichtgetauften werden verjagt oder umgebracht, er führt die Vielehe ein und hält der über einjährigen Belagerung durch den Bischof stand. Erst am 25.06.1535 findet der grausame Traum ein jähes Ende.

Diese Katastrophe von Münster trägt wohl auch heute immer noch dazu bei, dass das Täufertum schnell in die Ecke des Sektierertums abgeschoben wird. Aber gehen wir zurück ins 16. Jahrhundert. Die norddeutschen Täufer sind durch die Münsteraner Ereignisse natürlich tief schockiert und überlegen, wie es weitergehen soll. Dabei bilden sich insgesamt vier Gruppen, von denen drei an der endzeitliche Vision trotzdem festhalten wollen. Nur eine Gruppe, die so genannten Obbeniten (nach Obbe Philips), sind von der Verwerflichkeit der Gewalt überzeugt und distanzieren sich deutlich von dem Geschehen. Dies ist auch die einzige Gruppe, die die Geschichte überleben soll. Zu ihr stößt 1536 durch die Taufe der Priester Menno Simons, der schon 1524 von sich aus diverse kirchliche Lehren in Zweifel zog. Er erweist sich als geschickter und erfolgreicher Redner gegen die Münsteraner Irrlehren, weswegen er wohl auch trotz Täufertums nicht so hoch auf dem Index der Obrigkeit steht. Dieser Menno Simons wird 1537 in Groningen zum ältesten über die niederländischen Täufer eingesetzt. Damit beginnt eine weitreichende und von Verfolgung und unstetigem Leben gekennzeichnete Missionierung des gesamten Nordens bis hin nach Danzig.

Nach dieser langen Reise wissen wir nun endlich, warum die Mennoniten Mennoniten heißen: Sie nennen sich nach dem eifrig und friedlich wirkenden Verkündiger und im weitesten Sinne „Gemeindepädagogen“ Menno Simons, der von sich selbst sagt: „Es gibt auf Erden nichts, was ich so sehr liebe wie die Gemeinde“.

Damit stehen wir natürlich eigentlich erst am Anfang der mennonitischen Geschichte. Es folgen jetzt noch über 400 Jahre sehr bewegte Zeiten, in denen eine Vielzahl von unterschiedlichen mennonitischen Gruppen entstehen, sich abspalten, etliche Migrationen vornehmen (müssen) etc. So gibt es heute auch nicht „Die Mennoniten“, geschweige denn eine einheitliche mennonitische Kirche. Schließlich war es von Anfang an Grundsatz, dass sich jede Gemeinde selbstständig organisiert, ohne von einer höheren (irdischen) Instanz abhängig zu sein. Richtschnur war und ist immer nur die Bibel. Deren Auslegung liegt allein in der Hand der einzelnen Gemeinden. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich verschiedene Richtungen herausgebildet haben, die auch theologisch z.T. unterschiedliche Ansichten vertreten bzw. ein sehr unterschiedliches Gemeindeleben praktizieren. Allerdings kocht nicht jede Gemeinde ihr eigenes Süppchen, sondern es gibt eine Vielzahl von Verbänden, in denen sich Gemeinden mit ähnlicher Ausrichtung organisieren. Zu einem solchen Verband gehört auch die Dresdner Gemeinde, nämlich zu dem so genannten Arbeitskreis mennonitischer Brüdergemeinden (AMBD), dem derzeit 15 Gemeinden angehören, die meisten davon aus der Gegend von Bielefeld und Umgebung, aber auch in Leipzig und Berlin sind in den letzten Jahren neue Gemeinden entstanden.

Wie es nun zu der Gründung der Dresdner Gemeinde kam, lässt sich hier nachlesen.

Literatur:
Goertz, Hans-Jürgen (Hrsg.), „Die Mennoniten“, Stuttgart 1971.
Krahn, Kornelius, „Menno Simons“, Bielefeld 1996.
Wenger, J.C., „Die Täuferbewegung“, Wuppertal und Kassel 1995.